Was wäre, wenn die Aufklärung über ein wichtiges Thema nicht fad und langweilig wäre? Für die Berliner Aidshilfe durften wir ein sehr schönes Projekt mitgestalten. Fick dich, Biobuch! ist ein unterhaltsamer und informativer Podcast, der vor allem eine junge Zielgruppe anspricht und mit Mythen rund um das Thema HIV und AIDS aufräumt. Das Podcast-Konzept haben wir gemeinsam mit der Kundin entwickelt. Darüber hinaus waren wir für die gesamte Audioproduktion verantwortlich und haben die Berliner Aidshilfe bei Hosting und Publishing unterstützt.

Sven, Geschäftsführer bei We Are Producers: „Der Podcast lebt von der Abwechslung, von der Vielschichtigkeit der einzelnen Episoden und seinem provokanten Ansatz. Uns war es bei der Konzeptarbeit wichtig, dass wir die Geschichte nicht nur durch einzelne Personen, sondern entlang des thematischen roten Fadens erzählen – und dann entscheiden: Was braucht es an inhaltlichen Zusammenhängen, Hintergrundwissen und persönlichen Erfahrungen, um diese durch Moderation, Gäst*innen und weitere Akteur*innen erlebbar zu machen?“

Wir haben mit Cora Doehn (Berliner Aids-Hilfe e.V.) und Sophie Kortenbruck (vormals Berliner Aids-Hilfe e.V.) über das Projekt gesprochen.

Cora, was macht die Berliner Aids-Hilfe?

Die Berliner Aids-Hilfe e.V. vereint viele Aufgaben unter einem Dach. Wir sind eine Beratungsstelle, in der sich Menschen anonym und sehr kostengünstig auf HIV und andere STIs testen lassen können. Wenn ein Testergebnis positiv ausfällt, begleiten wir die Person zu allen nächsten Schritten. Das kann ein erstes Auffangen sein, Unterstützung bei der Ärzt*innensuche oder auch die Vermittlung in eine Selbsthilfegruppe. Die Berliner Aids-Hilfe hat auch ein eigenes Café, das für alle Menschen ein Safer Space ist und jeder willkommen ist. Es gibt aber noch mehr bei uns: Ich leite z.B. gemeinsam mit meiner Kollegin Annabelle das Youthwork Team. Wir geben Workshops für Jugendliche und auch für Vereine und Pflegeschüler*innen zu allen Themen rund um HIV, Aids und andere STI.

Podcast-Cover Fick dich Biobuch der Berliner Aids-HilfeDas Thema HIV ist ja spätestens seit den 90ern jedem ein Begriff. Wozu braucht es diesen Podcast und wen wollt ihr damit erreichen?

Vollkommen richtig, HIV kennt eigentlich jeder. Viele Menschen wissen aber immer noch nicht, dass HIV und Aids nicht dasselbe ist und, dass HIV wirklich sehr gut behandelbar ist. Es tummeln sich eine Menge an Fehlinformationen, Annahmen und Halbwissen in den Köpfen und damit wollen wir aufräumen. Denn 2023 sollte jeder schonmal von N=N gehört haben. Ihr kennt das nicht?! Prima, dann hör am besten gleich mal unseren Podcast 😉  

Der Titel des Podcasts ist ja durchaus provokant. Wie kam es dazu?

Wir setzen uns täglich mit der Stigmatisierung von Menschen auseinander, die mit HIV leben. Wir sind dabei politisch engagiert und setzen uns parteiisch als Menschenrechtsorganisation für HIV-positive Personen ein. Intern reißt uns oft der Geduldsfaden, wenn uns immer wieder von der erlebten Diskriminierung von Menschen erzählt wird. Für uns als Team der Jugendprävention sind vor allem veraltete Informationen in Biobüchern so ein Triggermoment und unsere Gegenspieler*innen. Denn wenn dort veraltete Infos stehen, müssen wir erstmal aufräumen und Fakten klären und können nicht mit Antistigmatisierungsarbeit loslegen. 

Wie seid ihr bei der Konzeption vorgegangen? Was war euch wichtig?

Besonders wichtig war uns, dass wir verschiedene Stimmen mit ganz unterschiedlichen Perspektiven für die Jugendlichen zusammentragen. Es gibt so viele Geschichten, wie HIV mit dem eigenen Leben in Verbindung stehen kann. Nicht nur das eine Bild, das viele von uns seit den 80ern stur verfolgt und das immer wieder nacherzählt wird. Es war uns wichtig zu zeigen, dass Fragen zur „Schuld“, wie sie oft im Zusammenhang mit einer HIV Infektion gestellt werden, nochmal in ein ganz anderes Licht gerückt werden können. Wir möchten, dass klar wird, wie sehr die „Schuld-Frage“ bereits mit Diskriminierung zu tun hat. 

Wie lief die Zusammenarbeit mit uns aus eurer Sicht ab? 

Ihr wart ein super Team und Ratschlaggeber. Wir kannten uns mit dem Podcasten überhaupt nicht aus und brauchten eure Unterstützung hier und da. Inhaltlich hatten wir natürlich eine glasklare Vorstellung. Aber bei der Umsetzung, wie unsere Idee für die Hörer*innen gut in einen Podcast gegossen werden kann, hatten wir ehrlich gesagt kaum Plan. 

Sprechen wir über das Ergebnis: Auf was können sich eure Hörer*innen freuen?

Die Hörer*innen können sich darauf freuen, richtig viele neue Infos zu erfahren, die ihr eigenes (Sex-)Leben deutlich entspannter machen. Entspannter, weil wir davon ausgehen, dass dieses Wissen dazu beiträgt, informierte Entscheidungen für sich besser treffen zu können. Und das baut die Unsicherheiten ab, die viele Menschen im Themengebiet Sex spüren und baut das eigene Selbstbewusstsein auf. Das ist nicht nur wichtig, um herauszufinden, was man alles möchte, sondern auch, um sich zu trauen zu sagen, wenn man etwas nicht möchte.

Außerdem können sich alle Hörer*innen danach zu den schätzungsweise 20 % der Menschen in Deutschland zählen, die dieses Wissen im Kopf haben. Besonders schön finde ich, dass es nicht nur um schnöde Wissensvermittlung geht, sondern ganz viel mit persönlichen Storys gearbeitet wird. Das Wissen kommt also über die Ohren ins Herz und dann in den Kopf. 

Sophie, Du warst ja sehr stark in das Projekt involviert und leitest als Podcast-Host durch die einzelnen Episoden. Was war dir persönlich besonders wichtig bei diesem Podcastprojekt?

Mein Ziel war, dass man gerne zuhört, vor allem bei einem Thema, was eher Unwohlsein oder Ablehnung auslösen kann. Das Thema HIV und Aids mit Leichtigkeit zu präsentieren war mir besonders wichtig. Aktuelles Wissen, einfach und klar zu verpacken war auch Ziel, denn: je mehr ich über HIV und dessen Folgen weiß, desto ruhiger und bewusster kann ich mich damit auseinandersetzen und Entscheidungen treffen. Unser Podcast ist ja für junge Menschen, und es ging mir weniger um medizinische Details als mehr darum, das Leben und die Geschichten von sehr unterschiedlichen Menschen, die mit HIV leben greifbar zu machen. Erstes Feedback aus der HIV-positiven Community und Bekannten zeigt – das ist uns wohl gelungen.

Danke euch beiden für das Interview! Wir wünschen euch viel Erfolg, damit der Podcast so viele Menschen wie möglich erreicht, um eine aktuelle, informiertere Sicht auf das Thema HIV und AIDS geben zu können!